Poesie: Warum sehe ich in deinen Augen Trauer

Das folgende Gedicht ist – zumindest im arabischen Original – mit so gefühlvollen und gleichzeitig gewaltigen Worten geschrieben, dass es einen nicht kalt lässt. Es ist ein Gedicht von dem Dichter der Revolution Ammar Rajab Tabbab. Das Gedicht ist kein Lied und wird auch nicht gesungen, jedoch ersetzt die Wucht der Worte jede Melodie. Es gleicht schon fast einer Symphonie. Ich habe mir große Mühe gegeben, es zu übersetzen, jedoch ging dabei ohne Zweifel die Schönheit verloren. Dennoch hoffe ich, dass ein Gefühl (und wenn nur ein Bruchteil von dem ist, was das arabische Gedicht vermittelt) übertragen wird.

Ich konnte nicht viel über den Dichter in Erfahrung bringen. Ich weiß auch nicht, wann genau das Gedicht geschrieben wurde. Jedoch habe ich das Video, in dem der Dichter es vorträgt, etliche Male auf verschiedenen Seiten gesehen.

Das Gedicht erzählt eine Szene in der syrischen Revolution. Es ist ein Dialog zwischen zwei Revolutionären. Der eine ist optimistisch und hat Hoffnung in die Zukunft. Den anderen hat der Pessimismus ergriffen; er hat seine Hoffnung verloren.

Der Optimist beginnt und sagt:

Warum sehe ich in deinen Augen Trauer,
und wie sie verloren – gleich einer Möwe – über die Stadt schwebt?

Warum sehe ich, wie deine Lippen zittern,
durch das Beben eines Herzens, von dem die Trauer nicht weicht?

Der Niedergeschlagene antwortet:

Siehst du denn nicht, was in meiner Heimat einzog,
was den Morgen sowie den Abend trübt?
Siehst du nicht, wie sich die Geschichte aus den zerfetzten Gebeinen
meines Volkes einen Freischein schneidert und sich einkleidet?

Siehe ihre Flaggen. Die einen hier, die anderen dort.
Alle sind sie auf Halbmast.
Sind sie denn nur Schaum? Das sind die Worte unseres Propheten.
Oder ist die pechschwarze Nacht der Willenlosigkeit über uns eingebrochen?

Ein röhrender Bulle krönte sich zum Anführer,
der niederträchtige Dieb wurde zum Wächter,
der ehrenlose Tänzer zum Lehrer.

Doch wer sich zum Preise seines Blutes in den Kampf stürzte,
um den Staub der Unterdrückung von sich zu klopfen,
dem warfen sie Übermut vor.
Dabei gleicht jeder, der für sein Land kämpft, einem edlen Ritter.

Mein Land, ich wollte dich frei, erhaben über Korruption.
Doch andere wollten dich wie eine Kurtisane.
Sie öffneten deine Gemächer,
die es nie gewohnt waren, beschmutzt zu werden.
Sie gaben deinen Körper frei und schwafelten von Befreiung.
Aber gib Acht davor, geschändet zu werden.

Darauf sagt der Optimist:

Nimm es gelassen, denn es sind nur Vorzeichen:
Je dunkler die Nacht, desto näher der Morgen.
Und hör die Stimmen der Männer, die nahen
und auf dem Felde der Ehre ihre Seelen verkaufen.
„Gott ist der Größte“, wuchs in ihren Herzen.
Sie wetteiferten in seinem Namen. Welch Wetteifer!
„Gott ist der Größte“, wird die Mauer des Schweigens durchbrechen,
die sie errichteten, um den Willen zu bändigen.
Das Recht wird siegen, gegen ihren Willen,
egal, wie lange die Tyrannei versucht, sich einzubunkern.

Arabisches Original:

مالي أرى عينيك يملأها الأسى
وتطيف تيهاً في المدائن نورسا
مالي أرى شفتاك ترتجفان من
خفقان قلبٍ لا يفارقه الأسى
أوماترى ماحلّ في وطني وما
حيل الصباح به كئيباً كالمسا
أوماترى أشلاء أمّتي التي
بها طرّز التاريخ حِلّاً وأكتسى
أنظر إلى أعلامهم هذا هنا
وكفا هنا والكلّ بات منكّسا
أهم غٍفاءٌ ذاك قول نبينا
أم انه ليل التخاذل عسعسا
عِجلٌ له خَوَرٌ تنصّب قائداً
والسارق الخوّان أصبح حارسا
والعالِم النِحرير بات منسّقاً
والراقص الديوس صار مدرّسا
ومن ارتمى بدمائه مُتنجدلاً
وأبى غبار الذل ان يتنفسّا
ذاك الذي سموه محض تهوّرٍ
لكن من يجري بلاده فارسا
بلدي أردتك حرّةً تأبى الخَنا
لكن غيري قد أرادك مومسا
هم شرّعوا أبواب مخدعك الذي
ما أعتاد يوماً أن يكون مدنّسا
وأباحوا جسمك للذين تشدّقوا
بتحرّرٍ، فحذاري أن يتنجسّا
فأجابه هوّن عليك فتلك بعض بشائرٍ
فالصبح إن جنَّ الظلام، تنفسّا
وأَصغي الى صوت الرجال تقدموا
وبساحةٍ للعزّ باعوا الأنفسا
الله أكبر، أنبتت بقلوبهم
فتنافسوا في الله، طاب تنافسا
الله أكبر، سوف تكسر حاجزاً
للصمت من أجل التخاذل كرّسا
والحق منتصرٌ، ورغم أنوفهم
مهما سعى الطغيان أن يتترس

3 Gedanken zu „Poesie: Warum sehe ich in deinen Augen Trauer“

    • Die Ehre liegt nicht in dem Feld an sich. Die ehre liegt wohl eher in den Herzen derjenigen, die sich gegen die Tyrannei stellen. Sicher stellt sich hier, die Frage, ob es denn keine andere Mittel gibt, um sich zu wehren. Doch gibt und gab es schon immer Situationen, in denen Menschen dazu gezwungen wurden sich der Gewalt mit Gewalt entgegenzustellen. Wann dieser Punkt erreicht ist, ist eine andere Frage und liegt im Auge des Betroffenen. Und man darf nicht vergessen, es ist das Gedicht eines Revolutionären nicht eins, das ich geschrieben habe. Ich habe es übersetzt, weil es einen Aspekt der Syrischen Revolution wiedergibt.

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  1. Auch wenn man nichts versteht im Video – so spürt man den Schmerz in jeder Pore.
    …dieses Gedicht beantwortet so ziemlich jede Frage.
    Und lässt einen traurig zurück.

    Vielen Dank für die Übersetzung.

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