Der letzte Tag

Samstag, der 28.05.2016

Heute war ich das letzte Mal in der Unterkunft in Dornach. Jedoch weder Syrer noch Iraker brauchten einen Dolmetscher, und Tischtennis spielten sie auch nicht mehr. Auch Somalier, Eritreer, Afghanen und Malier waren nicht mehr anzutreffen, denn die Unterkunft steht seit einer Woche leer und wird zum Ende des Monats endgültig geschlossen.

Also trafen sich noch mal alle Helfer und feierten einen Abschied, auch wenn feiern nicht das richtige Wort ist, denn alle sahen mit Wehmut auf die letzten Monate zurück. Es war eine Zeit, in der wir viel erlebt haben. Eine Zeit, in der viele über sich hinausgewachsen sind. Eine Zeit, die uns prägen wird und die wir lange in Erinnerung behalten werden.

Es war aber auch ein Abschied, wie ich ihn bereits zuvor erlebt habe. Erst in der Messestadt, dann am ZOB, sogar das Camp in Idomeni gibt es nicht mehr, und nun schließlich auch in Dornach.

Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob dies auch gleichzeitig das Ende der Willkommenskultur bedeutet. Gewisse Politiker legen uns das ja nahe und einige rechtsgerichtete Parteien in diesem Land würden sich sogar darüber freuen.

Meine Antwort lautete: Nein, denn das, was wir in Deutschland erlebt haben hat Garnichts mit Kultur zu tun.

Das, was wir in Deutschland erlebt haben, hat eher etwas mit Hilfsbereitschaft zu tun. Es ist die gleiche Hilfsbereitschaft, die man erlebt, wenn mitten auf der Straße eine alte Dame zusammenbricht. Unbekannte werden versuchen dieser Frau unter die Arme zu greifen und Erste Hilfe leisten. Es wird aber auch immer diejenigen geben, die einfach weitergehen und nichts tun. Und es gibt auch die, und das sind die schlimmsten, die gaffen und durch ihr rücksichtsloses Verhalten womöglich die Helfer noch bei ihrer Arbeit behindern.

Zu uns kamen Menschen, die in Not waren und wir haben das einzige Falsche nicht getan: nämlich nichts zu tun. Wir haben das getan, was jeder Ersthelfer tun muss: wir haben unsere Hilfe angeboten und wir sahen es als unsere Pflicht an, denn alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Und auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt pathetisch klingt: wir haben dies nicht nur für die Hilfesuchenden gemacht sondern auch für Deutschland, denn das, was wir seit letztem September erlebt haben, war nicht ohne die Hilfe der Freiwilligen zu bewältigen

Und all diejenigen, die dem ganzen Geschehen verächtlich zugesehen haben und die Helfer womöglich noch beschimpft haben, sind schlimmer als Gaffer, die an einer Unfallstelle durch ihr rücksichtsloses Verhalten die Helfenden in ihrer Arbeit behindern.

Es gab nie eine Willkommenskultur, deshalb kann sie auch nicht am Ende sein. Aber es gab viele Menschen, die Hilfe geleistet haben. Diese Menschen werden weiter helfen, denn sie sind über den Schatten der Angst gesprungen. Die Angst vor dem Fremden und die Angst etwas falsch zu machen.

Vor ihnen ziehe ich meinen Hut und ihnen möchte ich danken, dass ich mit ihnen zusammen arbeiten durfte.

3 Gedanken zu „Der letzte Tag“

  1. Schließe mich Hauptschulblues an.
    Ich danke Ihnen und den anderen freiwilligen Helfern, es ist gut zu wissen dass es mehr als nur eine Handvoll Menschen in Deutschland gibt, die ihre Fähigkeiten nutzen, um die Probleme anzugehen die sich in ihrer Nachbarschaft ergeben.

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