In den letzten Wochen habe ich nicht viel aus Dornach und vom ZOB berichtet. Dies lag zum einen daran, dass sich die Lage in München aufgrund der politischen Entscheidung auf europäischer Ebene sehr beruhigt hat und zum anderen, weil ich mich vor einigen Wochen dazu entschieden habe, einen Sanitäter-Lehrgang zu besuchen und dadurch wenig Zeit für anderes übrig blieb.
Ich habe oft für Ärzte und Sanitäter gedolmetscht: in der Messestadt München, in der Notunterkunft in Dornach, am Hauptbahnhof in München und sogar am Lageso in Berlin. Als immer mehr Bilder aus Griechenland uns erreichten, spielte ich auch mit dem Gedanken, irgendwann einmal vielleicht auch dort zu helfen. Doch sollte es so weit kommen, möchte ich nicht nur dolmetschen oder Essen austeilen.
In Dornach bin ich dann über die Johanniter auf den Sanitäter-Lehrgang aufmerksam geworden und entschloss mich kurzerhand daran teilzunehmen.
Der Kurs fand in der Rudolf-Diesel-Str. in Riemerling statt und dauerte 4 Wochenenden. Jeden Tag wurden mehrere Fallbeispiele durchgeführt. Dank engagierter Mimen und realistischer Wundschminke, manchmal auch mit viel künstlichem Blut, fühlten sich diese Fallbeispiele sehr realistisch an, was dann auch für einen ordentlichen Adrenalinschub sorgte. Auch das theoretische Wissen hatte immer einen praktischen Wert und wurde interessant vermittelt.
Am dritten Wochenende gab es dann eine Prüfung. Hatte man die Fallbeispiele aufmerksam verfolgt und sich ein bisschen auf die Theorie vorbereitet, war diese problemlos zu bestehen.
Das vierte Wochenende entsprach einem Aufbaumodul mit dem man schließlich zum Sanitäter wird. Am Sonntag, wurden uns dann die Urkunden überreicht. Einige der Teilnehmer haben sich danach auch bei den Johannitern offiziell angemeldet, um an Sanitätsdiensten teilzunehmen.
Ich wollte mich zunächst nicht für eine Mitgliedschaft festlegen und machte mich nach der Übergabe der Urkunden auf den Weg nach Hause. Unterwegs dachte ich an eine Frage, die mir einen Tag zuvor gestellt wurde. Die Frage lautete: „Hast du schon Pläne, wie Du dein Können als Sanitäter künftig einsetzen wirst?“
Ich antwortete: „Ich denke da vor allem an meine Familie. Ich habe Kinder und möchte nie in die Situation kommen, im Notfall nicht zu wissen, was zu tun ist. Dann profitiert ja auch die Gesellschaft: je mehr Helfer es gibt, desto sicherer sind alle…“
Auf dem Heimweg führ ich die Waldwiesenstraße entlang, als ich eine junge Frau, die auf dem grünen Mittelstreifen sitzend erblickte. Neben ihr lag ein Mann mit dem Gesicht nach unten. Ein weiterer junger Mann mit Fahrradhelm stand daneben und sprach auf beide ein. Ich parkte meinen Wagen und ging auf sie zu. Neben der Gruppe lag eine leere Wodkaflasche auf dem Boden. Der junge Mann mit Fahrradhelm stellte sich als Ersthelfer vor und redete auf die junge Frau ein. Diese sagte immer wieder gereizt: „Maaan lasst uns einfach. Wir wollen hier nur chillen.“, dabei zitterten ihre Hände.
Zufälligerweise hatte ich noch ein paar Handschuhe aus dem Kurs in der Tasche. Ich zog diese an und sprach den liegenden Mann an und rüttelte ihn vorsichtig. Er reagierte zwar nicht, erschien mir jedoch eher zu schlafen als bewusstlos zu sein. Ich überprüfte Atmung und Puls, legte ihn dann in die stabile Seitenlage und bat den Fahrradfahrer die 112 zu wählen. Dann ertappte ich mich kurz, wie ich mich umdrehte und nach dem Ausbilderteam der Johanniter suchte. „War das gestellt?“, fragte ich mich, obwohl ich genau wusste, dass das natürlich Quatsch war. Dennoch war der Zufall unwirklich.
Zwei Wochen zuvor hatte ich ein ähnlich aufgebautes Fallbeispiel. Ein Mime versuchte mich im gespielten Drogenrausch zu verscheuchen und bezeichnete mich zuerst als jungen Padawan und dann als Rosa Elefanten (solltest du das lesen Putzi: grüß dich). Die Frau die nun vor mir saß, versuchte uns etwas rabiater zu verscheuchen und war in ihrer Wortwahl auch vulgärer.
Ich machte mir jedoch hauptsächlich sorgen um den Schlafenden. Ich hatte vor allem Angst vor Unterkühlung. Es war schon dunkel und es herrschten gerade mal 5°. Ich sagte ihr, dass ich Sanitäter sei. Der junge Mann neben mir sagte darauf: „Ich bin auch Sanitäter, Schulsanitäter und ich bin bei den Johannitern.“ Als er das sagte erfasste mich fast die Paranoia. Ist das wirklich nur ein Zufall sein? Insgeheim musste ich über meine Gedanken grinsen.
Weitere Menschen hielten an. Eine Frau brachte uns eine Wärmedecke. Wir wickelten den Schlafenden ein. Ein weiterer Helfer präsentierte sich als Arzt. Ich bot ihm mein Blutdruckmessgerät an. Er überprüfte nur die Atmung und sagte: „Ne, das ist nicht nötig, da kommt ja eh gleich der Rettungsdienst.“. Er fragte ob wir alles im Griff haben, verabschiedete sich und ging.
Kurz darauf hielt auch schon ein Rettungswagen des Roten Kreuzes und später kam sogar noch ein Wagen der Feuerwehr dazu. Als diese eintrafen, erwachte der junge Mann und schaute sich berauscht und verwundert um. Ich blieb noch einen Augenblick und erfuhr, dass der junge Mann ok war, die Frau mit einer Körpertemperatur von 34 jedoch bereits unterkühlt war.
Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich war froh, dass es nichts Dramatisches war und doch fühlte ich mich auch auf einen solchen Fall vorbereitet. Und wer weiß schon, wie schnell eine vermeintlich harmlose Situation kippen kann.
Im Auto dann, dachte ich erneut an die Frage: „Hast Du schon Pläne, wie Du Dein Können als Sanitäter künftig einsetzen wirst?“
Und die Antwort ist so simpel: einfach helfen!
Es kann sehr schnell gehen, dass man sich in einer solchen Situation wieder findet. Schneller als man denkt. Oft warten die Menschen auf jemanden, der weiß was zu tun ist, um selbst aktiv zu werden. Und genau dieser Jemand könnt ihr sein. Werdet aktiv! Engagiert euch! Macht den Kurs! Ihr werdet es nicht bereuen. Es gibt euch Sicherheit und macht obendrein einen Riesenspaß. Eure Kinder, eure Familie, eure Freunde und die ganze Gesellschaft werden es euch vielleicht eines Tages Danken.
Danke an Katharina, Teddy, Carolin, Melli, Maria, Sandro, Putzi und an alle Kursteilnehmer für die schöne und bereichernde Zeit.
Danke für den Bericht. Ich lese immer gerne deine Berichte
Ihr Wissen und Ihre Erfahrung können Sie überall und jederzeit – wie der Beitrag zeigt – einbringen.
Finde ich gut. Es sind „Kleinigkeiten“ die den Unterschied machen.
Sie verhalten sich vorbildlich, danke für das Blog!