„Und die Vögel werden singen“, erzählt die Geschichte Aeham Ahmads, jenes Pianisten, der mitten im zerstörten Yarmouk in Syrien sein Klavier auf die Straße stellte und für die hungernden Menschen musizierte.
Und diese Geschichte beginnt lange vor dem Krieg. Sie beginnt dort, wo er die Musik kennen lernte, sie liebte und hasste und sich schließlich mit ihr versöhnte. Der Leser erhält einen sehr persönlichen Einblick in seinen frühen Werdegang. Dabei bekommen selbst unmusikalische Menschen ein Gefühl dafür, was für harte Arbeit hinter seinem Talent steckt. Ganz nebenbei lernt der Leser die syrische Gesellschaft kennen. Man lernt sie mit anderen Augen zu betrachten und erkennt das Unbeschwerliche sowie das Hässliche in ihr. Und hässlich ist vor allem das korrupte politische System, die soziale Segregation und die Omnipräsenz der allmächtigen Geheimdienste.
Und doch werden nicht nur schwierige Momente seines frühen Lebens beschrieben, sondern auch besonders glückliche Momente seines Alltags. Ein Alltag, der ganz plötzlich in ein unendliches Chaos stürzt, zu einer Zeit, in der das Leben ihn endlich anzulächeln schien.
Als ich Aeham vor zwei Jahren persönlich kennen lernte, wagte er es nicht öffentlich über die Revolution, über das Regime, über das Schicksal seines Bruders, über die zynische Politik und wie alles in einem blutrünstigen Krieg endete, zu reden. Zu viel Angst hatte er damals um seine Frau und seine Kinder. Angst vor der Rache des Regimes und seinen Geheimdiensten. Doch die meisten Medien interessierten sich ohnehin nur für seine Erfahrung mit dem IS und wie dieser das berühmte Klavier in Flammen aufgehen ließ.
Heute schreibt er offen und ohne Angst. Er erzählt seinen Weg aus einer sehr persönlichen Perspektive. Und beantwortet dennoch, ganz nebenbei wichtige Fragen: War es wirklich eine Revolution? Ist das Assad Regime wirklich so schlimm? Wie groß war die Rolle des IS in seiner Geschichte? Warum flüchteten vor allem junge Männer und ließen ihre Familien zurück?
Seine Geschichte lehrt uns Demut, ohne dabei belehrend zu sein. Demut vor den Leistungen, der Geduld und vor allem dem Mut der Menschen, die zu uns gekommen sind und vor denen die noch heute in den Kriegsgebieten ausharren. Dazu gehört bis heute seine alte Mutter und sein blinder Vater. Er zeigt uns, welche Kraft in den Frauen steckt, welche Lebenskraft in den Kindern und wie ein alter blinder Mann eine unverwüstliche Säule in so zerstörerischen Zeiten sein kann.
Ich betrachte Aeham als Freund, weshalb mein Urteil nicht unvoreingenommen ist. Als ich das Buch erhielt, fragte ich mich, was ich tun würde, wenn es mir nicht gefallen würde. Schließlich möchte ich ihm nicht schaden. Würde ich meine Meinung trotzdem öffentlich machen? Oder würde ich lieber gar nichts schreiben? Ein schlechtes Buch zu beschönigen käme nicht in Frage, denn es würde schließlich auch meiner Glaubwürdigkeit schaden. Heute bin ich erleichtert darüber, nicht vor dieser Wahl zu stehen. Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt und ohne Vorbehalt. Es ist ehrlich, bewegend, schockierend, spannend und aufschlussreich. Müsste ich etwas kritisieren, dann die Tatsache, dass das Buch über weite Teile sehr detailreich ist und viele interessante Anekdoten enthält. Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse jedoch und vieles wird nur noch angeschnitten. Man wird das Gefühl nicht los, dass das Buch locker weitere hundert Seiten beinhalten könnte. Mit 366 Seiten war es dem Verlag wahrscheinlich schon zu umfangreich.
„Und die Vögel werden singen„ ist, wie ein epischer Blicktausch, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Und ich würde mich nicht wundern, wenn es früher oder später verfilmt wird.
Das Buch ist ab heute, den 5. Oktober überall erhältlich.
Habt ihr das Buch auch gelesen? Hat es euch gefallen? Oder vielleicht doch nicht? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung zum Buch in die Kommentare schreiben würdet.
Aeham Ahmad Und die Vögel werden singen Ich, der Pianist aus den TrümmernAufgeschrieben von Sandra Hetzl und Ariel Hauptmeier ISBN 978-3-10-397317-4 Ich erhielt vom S. Fischer Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar. |
Gute Rezession! Ich werde mir das Buch kaufen ! Ich kenne Aeham persönlich, bin im oft auf seinen Konzerten begegnet ! Fast hätte ich ein Konzert mit ihm organisiert , leider kam es durch persönliche Umstände nicht dazu ! Ich bin eine große Bewunderin von Aeham !