Zahnräder – Recht auf Uni

Am 15. Mai führte ich Gespräche mit mehreren Flüchtlingen, die auf der Zahnräderkonferenz ein Projekt vorgestellt haben. In einem früheren Artikel gab ich ein Interview mit einem jungen Mann wieder, der Kindern das Programmieren von Robotern beibringen wollte.

Das zweite Gespräch führte ich mit Deemah, einer jungen Frau aus Syrien, die eine Initiative starten möchte um Flüchtlingen den Hochschulzugang zu erleichtern.

Wir setzten uns in die Kantine der Jugendherberge, in der die Konferenz stattfand, und zu meiner Überraschung bestand sie darauf, das Gespräch auf Deutsch zu führen.

„Kannst du dich kurz vorstellen?“

„Ich heiße Deemah, ich bin 24 Jahre alt und ich komme aus Syrien. Ursprünglich bin ich aus Idlib, gewohnt habe ich mit meiner Familie aber in Damaskus, und in Aleppo habe ich dann 8 Semester Zahnmedizin studiert.“

„Wann habt ihr Syrien verlassen?“

„Das war Ende 2013.“

„Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschlossen?“

„Es war uns nicht mehr möglich dort zu bleiben. Die Situation hat sich dort immer weiter verschärft, bis mein Vater schließlich verhaftet wurde und 40 Tage im Gefängnis war. Du musst wissen, meine Familie ist gegen Assad. Ich selber habe in Aleppo an sehr vielen Demos gegen das Regime teilgenommen. Zu der Zeit, in den ersten beiden Jahren der Revolution, gab es überall Demos und ich war dort sehr aktiv. Dann begann der Krieg und wir haben anfangs gehofft, dass der Krieg schnell endet. Mein Vater war zu dieser Zeit noch in Damaskus. Er ist Chirurg und musste dort die ganze Zeit helfen, dabei behandelte er Patienten vom Regime und auch von der Freien Syrischen Armee.“

„War das der Grund weshalb sie ihn verhaftet haben?“

„Nein, es lag eher daran, dass mein Vater oft mit seiner Familie in Idlib telefoniert hat und meinen Onkeln und Tanten erklärte, was man bei Verletzungen machen muss. Er war auch mal in Idlib um meinem Cousin zu helfen, da dieser verletzt wurde. Und solche Leute machen dem Regime Angst, Leute mit Bildung, die gegen die Regierung sind. Deshalb haben sie ihn verhaftet. Und mal abgesehen davon: die brauchen garkeinen Grund um dort jemanden zu verhaften.

Es war also nicht mehr sicher dort zu wohnen. Und als dann auch noch unser Zuhause vor unseren eigenen Augen durch das Regime zerstört und vorher noch alles geplündert wurde, hat mein Vater entschieden Syrien zu verlassen, denn er wollte nicht riskieren, einen von uns verlieren.“

„Wann seid ihn in Deutschland angekommen?“

„Wir sind im Januar 2014 in Deutschland angekommen und wurden dann sehr schnell nach Berlin transferiert und haben auch relativ schnell unseren Aufenthaltstitel erhalten.“

„Du sprichst sehr gut Deutsch, wo hast du das gelernt?“

„Ich habe Deutsch in der Schule gelernt. Als ich hier angekommen bin, gab es nichts anderes zu tun außer Deutsch zu lernen. Ich habe auch nicht gewartet bis mir ein Kurs bezahlt wurde, sondern ich habe auch Kurse selber bezahlt.“

„Du hast all deine Kurse selber finanziert?“

„Nein, aber wenn ich sehe, dass es einen Monat dauert, würde ich auf die Finanzierung warten, dann habe ich lieber einen Kurs aus eigener Tasche bezahlt. Nachdem ich ein Jahr und vier Monate lang die Sprache gelernt habe, habe ich dann auch das für ein Studium erforderliche C1 Level erreicht.“

„Kannst du mir etwas über das Projekt erzählen, dass du hier vorstellst?“

„Es handelt sich dabei um das Projekt Recht auf Uni. Und eigentlich ist es eher eine Initiative als ein Projekt. Als ich gesehen habe, dass es so schwer ist einen Platz an einer Universität zu erhalten und dass es für uns Flüchtlinge so viele Hürden gibt und wir dabei auch noch sehr benachteiligt werden, wollte ich darauf aufmerksam machen. Zum Beispiel müssen wir uns für die Studienplätze bewerben, die für ausländische Studenten aus aller Welt reserviert sind. Wir dürfen uns nicht auf Wartelisten eintragen, und die Kosten für die Bewerbungen sind für uns sehr hoch.“

„Warum kostet das so viel Geld?“

„Zum Beispiel wegen der beglaubigten Kopien. Wenn man sich für ein Fach mit NC eintragen möchte, dann muss man sich an vielen Universitäten bewerben, um die eigenen Chancen zu erhöhen. Für jede dieser Universitäten braucht man beglaubigte Kopien. Ich habe 5 Unterlagen die ich an 20 Universitäten schicken musste, da kommen schnell mal 500€ zusammen.“

„Bekommst du die Unterlagen zurück, wenn du abgelehnt wirst?“

„Die meisten Universitäten schicken die Unterlagen nicht zurück sondern vernichten sie.“

„Und beim nächsten Semester musst du wieder alles von vorne beglaubigen lassen.“, stelle ich fest.

„Ja genau, weil wir ja auch auf keine Warteliste genommen werden.“

„Was ist der Nachteil, dass ihr euch mit den Studenten aus dem Ausland bewerben müsst?“

„Wir müssen uns unter der Ausländerquote bewerben, was nur 5 % der Studienplätze ausmacht. In der Zahnmedizin bieten manche Universitäten nur einen Studienplatz für ausländische Studenten an.“

„Gibt es Zahlen davon, wie viele syrische Flüchtlinge hier studieren wollen? Ist dir da Genaueres bekannt?“, frage ich sie.

„Ich habe diese Zahlen recherchiert und es ist nicht einfach aktuelle Statistiken zu finden. Die niedrigsten Schätzungen der Friedrich-Ebert-Stiftung rechnen mit 50 Tausend Flüchtlingen, die studieren wollen.“

„Werden die Studiensemester aus Syrien hier anerkannt?“

„Ich habe in Syrien acht Semester studiert. Anerkannt wurden nur zwei Semester. Das ist zwar ärgerlich, ich wäre aber schon froh, wenn ich überhaupt einen Studienplatz bekommen würde. Dann könnte ich mich wenigstens auf meine Zukunft konzentrieren.“

„Wird deine Initiative von anderen unterstützt?“

„Zurzeit sind wir zu fünft. Und wir stehen noch ziemlich am Anfang.“

„Wenn ihr so viele Flüchtlinge seid, die studieren wollen, warum seid ihr dann so wenige?“

„Ich habe die Initiative erst vor kurzem gestartet. Das Ganze ist noch sehr neu, ich möchte es aber ausweiten. Es ist im Moment für uns schwierig herauszufinden, was die nächsten sinnvollen Schritte sind.“

„Danke für das Gespräch.“

Dritter Platz

Deemah hat mit ihrer Initiative den dritten Platz in der Kategorie Newcomer gewonnen und erhielt als Preis ein Mentoring. Der Gedanke dabei war, der Initiative zu helfen die richtigen Ansprechpartner im Hochschulbetrieb und vielleicht auch in der Politik ausfindig zu machen und sich an diese zu wenden.

Uni Assist

Ein Kollege machte mich aufmerksam auf die Seite http://www.uni-assist.de/ auf der man zentral für mehrere Universitäten seine Bewerbung einreichen kann. Ich fragte Deemah ob dies nicht das Problem mit den beglaubigten Kopien lösen würde. Sie erzählte mir, dass nicht alle Universitäten, Bewerbungen über Uni-Assist akzeptieren.

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