Tag 10: ZOB

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Samstag, der 10.10.2015

Eigentlich habe ich nicht viel zu berichten, da ich nicht wirklich lange unterwegs war. Ich wollte gegen 23 Uhr nur ein paar hinterlegte Tickets für Helfer vom ZOB abholen. Dann bin ich aber nochmal herumgelaufen, um nach Flüchtlingen zu sehen, die Kinder bei sich haben. Manche Familien mit Kindern unterschätzen derzeit die sinkenden Temperaturen in der Nacht. Ein Helfer erzählte mir, dass am Vorabend bereits Kinder wegen Unterkühlung behandelt werden mussten. Mir wurde ein junger Syrer vorgestellt, der auch Englisch sprechen konnte und als Übersetzer Hilfe am ZOB leistete. Es war die einzige Begegnung an diesem kurzen Abend.

„Bist du Syrer?“

„Ja.“

„Bist du Flüchtling?“

„Ja ich bin seit drei Monaten hier.“

„Also bist du bereits registriert?“

„Ja“

„Wo wohnst du?“

„In einem Zeltlager in Taufkirchen.“ (Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob es Taufkirchen war)

„Und wie ist es dort?“

„Es ist unerträglich… 5 Toiletten für 375 Menschen.“

„Nur 5 Toiletten?“ fragte ich ungläubig.

„Ja, ich halte es dort nicht aus. Ich gehe nur zum Schlafen hin. Stimmt es, dass ein Zimmer in München 500 € kostet?“

„Es kann sein, dass man dafür was bekommt. Aber dafür musst du erst einmal arbeiten dürfen.“

„Ich habe die Erlaubnis, aber wo bekomme ich Arbeit her?“

„Lernst du Deutsch?“

„Nur über das Internet.“

„Gibt es denn keinen Deutschunterricht in dem Zeltlager?“

„Nein Garnichts. In München ist die Situation sehr schwierig“

„Was hast du beruflich gemacht, bevor du geflohen bist?“

„Ich habe Mathematik studiert, habe aber auch in der Gastronomie gearbeitet. Ich will arbeiten, damit ich eine Wohnung mieten kann, um aus dem Lager herauszukommen. Das Leben ist dort sehr belastend. Es macht mich psychisch fertig.“

Eine Zeit lang schweigen wir. Bisher habe ich nur mit neu angekommenen Flüchtlingen zu tun gehabt. Dieser war jedoch schon länger da und trotzdem ist er sehr prekär untergebracht. Die Situation deprimiert mich.

„Kommst du morgen zu dem Konzert?“

„Was für ein Konzert?“

„Es ist ein großes Konzert für Helfer und Flüchtlinge. Kennst du Aeham Ahmad? Er tritt dort auch auf.“

„Wer ist das?“

„Das ist der Pianist aus dem Yarmouk Lager. Er hat in den Trümmern mit seinem Klavier musiziert. Es gab viele Berichte über ihn. Nie von ihm gehört?“

„Ah doch, ich habe von ihm gehört. Er tritt dort auf? Wie kann ich dort hinkommen?“

Wir fragen am Helferstand nach und bekommen Tickets für ihn und einem syrischen Freund von ihm.

Zusammen gehen wir Richtung S-Bahn. Er sagt zu mir: „Ich habe in Syrien gesungen.“. Er singt ein paar Strophen auf Arabisch.

Unterwegs sage ich: „Aeham hatte in Syrien mit einer Gruppe gesungen, die sich ‚Die Jungen aus Yarmouk‘ nannte. Vielleicht könnten wir hier eine Gruppe wie ‚Die Jungen aus München‘ gründen.“

Er lächelte: „Ja, warum nicht? Ich wäre dabei.“

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